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Werke von Maximilian Schmidt

 

Maximilian Schmidt
 
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Das Burgfräulein von Lichtenegg

(aus dem Buch Das Fräulein von Lichtenegg)

  "Die Ritter von Lichtenegg und von Hohenbogen sind lange Jahre gegen einander in Fehde gewesen. Endlich stellte sich der Lichtenegger an, als sei er des Haders müde und wußte durch gleißnerische Botschaften seinen Gegner und dessen Söhne dahin zu bringen, daß sie zu einem Sühnversuche auf seinem Schlosse sich einfanden. Hier bewirtete er sie aufs köstlichste, aber während sie, keines Arges sich versehend, dem Weine ihres falschen Gastwirtes wacker zusprachen, ließ dieser verräterischer Weise durch seine Leute die ihrer besten Verteidiger beraubte Burg Hohenbogen ersteigen und in Brand stecken. Als die Flammen turmhoch aufloderten, führte er seine Gäste schadenfroh an das Fenster und ward dann die hinterlistig Getäuschten in das Burgverließ. Aber der Lichtenegger wurde für diesen Verrat schwer bestraft. Er hatte nämlich nur ein einziges Kind, eine Tochter, welche sein Stolz und seine Freude war. Diese knüpfte ohne Wissen der Ihrigen mit dem böhmischen Ritter Warnko, einem Hussiten, zarte Bande an; darüber traf sie der Fluch der strenggläubigen Eltern und sie stürzte sich im Wahnsinne von der Burg herab. Allnächtlich zur Geisterstunde schreitet nun das Burgfräulein in weißem Sterbekleide aus dem verfallenen Thore hervor, steigt in den Graben hinab, und läßt sich auf einer bemoosten Steinplatte am Fuße des Turmes nieder. Dort sitzt sie, bis der Hahn kräht, und kämmt mit einem funkelnden Goldkamme ihr langes, schwarzes Haar. Dabei singt sie oft wunderbare Weisen, die gleich den Tönen einer Aeolsharfe weit durch das Gebirge hallen, und wer diesen Gesang vernimmt, wird wunderbar davon ergriffen, Furcht und Wonne zu gleicher Zeit in seinem Herzen fühlend."

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