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Maximilian Schmidt
 
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Der Gespensterbaum des Federkiel

bei Stachesried
 
(aus dem Buch Das Fräulein von Lichtenegg und dem ersten Teil der Autobiographie)

Aus der Autobiographie:
  Der "Gespensterbaum des Federkiel [...], es war eine Pappel, die von der Straße etwa 300 Schritte entfernt in der Wiese stand, schien dem Wanderer eine längere Strecke in gleicher Richtung das Geleite zu geben. Die optische Täuschung war in der That frappierend, und in der ganzen Gegend glaubte man, das hänge mit dem an jener Stelle stattgefundenen Mord an dem Verwalter des Schlosses Stachesried, einem gewissen Federkiel mit Namen, zusammen. Zur Zeit des Choleracordons, der an der böhmischen Grenze zu Anfang der Dreißiger Jahre gezogen war, hielt eine Patrouille jenen Baum für eine lebende Person und attakierte denselben förmlich, da er auf Anruf die Antwort schuldig blieb."

Aus der Erzählung "Das Fräulein von Lichtenegg":
  "Der Federkiel war der Verwalter des eine halbe Stunde von hier entfernten Schlosses Stachesried. Er war im Jahre 1811, gerade zu Franziski Xaveri, auf einer Hochzeit, welche hier gefeiert wurde, und kehrte erst spät in der Nacht und allein nach Hause zurück. Auf der Mitte des Weges angekommen, wurde er von Pferdeschwärzern, welchen er schon mehrere Male Strafen zugebracht, überfallen und nach kräftiger Gegenwehr, wobei er einen mit einem Schusse aus seiner Pistole zu Boden streckte, und einen zweiten halb zum Krüppel schlug, durch die Uebermacht überwältigt und erschlagen. Die Pferdeschwärzer nahmen ihre Blessierten mit und schleiften den Toten bis zum Jägerhofe, wo man ihn des andern Tages fand. Die Thäter konnten nicht ermittelt werden, obwohl man gegen mehrere starken Verdacht hatte, bis zehn Jahre nachher die verstümmelte Hand eines der Burschen auf deren Spur führte, indem er sich in seinen Angaben über die Verstümmelung widersprach und endlich, ohnehin verdächtig, seine und die Teilnahme mehrerer an dem Totschlage eingestand. Einer davon, der Steffeljäger, welcher deshalb viele Jahre im Zuchthause saß, lebt noch heut in hiesiger Gegend.

  An der Stelle der That wurde eine Gedächtnistafel errichtet, und man hatte ungeachtet derselben schon längst den Federkiel vergessen, als auf einmal, erst in den dreißiger Jahren, dessen Gespenst alt und jung in Schrecken setzte. Ein hiesiger Hafner, der Hafnermichl, kehrte nämlich einmal spät in der Nacht von Stachesried nach Eschlkam zurück. In der Nähe der Martersäule angekommen, bemerkte er zu seinem größten Schrecken eine unnatürlich hohe Gestalt ohne Kopf, mit einem langen Jägerrock bekleidet, und einem Hut auf dem Rumpfe. Der Hafnermichl, von Natur durchaus kein Held, nimmt, wie sich von selbst versteht, Reißaus; aber das Gespenst, etwas seitwärts in der Wiese, bleibt dem Flüchtigen immer in gleicher Linie wie sein Schatten.

  So furchtsam der Michl auch war, so bekam er doch plötzlich, da der Hauptschrecken nun einmal vorbei, Kourage und mit dem Ausrufe: „Alle guten Geister loben ihren Herrn! Sag’, was ist dein’ Begehr’n?“ ging er in verzweifeltem Mute auf den schwarzen Mann zu. Dieser wich, ohne sich umzuwenden, bis in die Nähe der Martersäule zurück, schritt über den hier befindlichen Weiher rücklings hinüber und löste sich dann in einen schwarzen Nebel auf, welcher in der Luft zerrann. Jetzt aber überfiel den Hafner eine schreckliche Furcht, und er lief, was er laufen konnte, gegen Eschlkam zu; das Gespenst war aber schon wieder an seiner Seite, und folgte ihm bis in die Nähe des Marktes. Ich war gerade im Wirtshause beim Spät unten, in welches der Michl, vor Schrecken totkrank, kam und uns den Spuk erzählte. Derselbe ward auf längere Zeit gemütskrank, und noch heutigen Tags verspürt er die Folgen jener Nacht.

  Kurze Zeit nach diesem Ereignisse kam der Cholera-Kordon in diese Gegend, und auch zwischen hier und Stachesried wurden Pikette aufgestellt.

  Da kamen wieder nächtlich derlei Spukereien vor, und alle Posten beschworen, den Federkiel gesehen zu haben; ja, sie wurden davon mit solcher Furcht erfüllt, daß sich keine Patrouille in jene Gegend mehr wagte, was den Kommandanten in nicht geringe Verlegenheit brachte, da gerade an diesem Platze der Hauptverkehr der Schmuggler stattfand, und die Vermutung nicht ferne lag, daß diese die Rolle des Federkiel spielten, um ihr Handwerk ungenierter betreiben zu können. Dem war aber nicht so.

  Eines Sonntags abends saßen der Herr Pfarrer, Ihr Herr Vater, erwähnter Kommandant und meine Wenigkeit gemütlich beim Tarok im Neumaierschen Wirtshause, als ein Unteroffizier ankam und dem Hauptmanne meldete, daß sich das Gespenst schon wieder blicken lasse, daß man darauf geschossen, aber erfolglos, und daß der Hauptmann sich selbst von dem Gespenste überzeugen könne, welches diese Nacht – es war gerade in der Franziski Xaveri-Nacht – wohl nimmer ruhen möchte. Wir waren alle schnell entschlossen, uns von der Richtigkeit dieser Meldung zu überzeugen, und der Sache auf den Grund zu kommen. Jeder nahm eine Waffe zu sich, und von mehreren hiesigen Burschen begleitet, machten wir uns auf den Marsch gegen den Federkiel. Kaum waren wir den Berg hinabgekommen, hieß es schon: „Seht, seht! Dort ist er in der Wiese!“

  Wirklich sahen wir in einiger Entfernung – der Mond stand gerade hoch am Himmel – eine hohe, dunkle Gestalt. Man verabredete sich, dieselbe von allen Seiten einzuschließen. Zu diesem Behufe ging ein Teil, den der Hauptmann führte, vorwärts, um dann gegen das Gespenst herzumanövrieren; Ihr Herr Vater zog sich mit einem zweiten Teile links, der Herr Pfarrer und ich waren beim dritten Häuflein, das gerade auf den Feind zusteuerte, und auf einen Pfiff des Hauptmanns sollte angegriffen werden. Aber das Gespenst hatte seinen Spuk mit uns. Es begleitete fortwährend den Hauptmann bis über die Martersäule hinaus, ebenso ihren Vater bis an den Bach, während es uns gegenüber stehen zu bleiben schien. Endlich wurde das Zeichen zum Angriff gegeben und wir setzten uns in Bewegung. Das Gespenst schien uns ruhig zu erwarten. Da wurde mir’s denn doch etwas unheimlich und ich fragte den Herrn Pfarrer, ob er etwas Geweihtes bei sich hätte; nachdem mir’s Hochwürden bejaht, verlor ich alle Furcht und der erste voran schwang ich meinen alten verrosteten Säbel. Bitt um Entschuldigung, der erste waren der Herr Pfarrer, aber dann kam gleich ich. Wir schlossen die Gestalt jetzt immer enger ein. Ungefähr noch fünfzig Schritte davon entfernt, sahen wir ziemlich deutlich die Figur eines langen, hageren, kopflosen Mannes – hu, ein unheimlicher Anblick! – Aber schon schrie man: „Vorwärts!“ und mit einem „Hurra“ liefen wir vor! Da blieb die Erscheinung wie angewurzelt stehen, und als wir ganz nahe daran kamen, was sahen wir? – ein junges Eichenbäumchen!"

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