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Werke von Maximilian Schmidt

 

Maximilian Schmidt
 
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Brauchtum am Palmsonntag

(Palmzeige, Puerigesang)

(aus dem Buch Glasmacherleut')

  Im bayerischen Walde finden am Palmsonntage folgende Gebräuche statt:

  Die Palmzweige werden zu Palmbüscheln gebunden und geweiht. Das Heft derselben bildet der Stab der heiligen Haselstaude, in welche niemals der Blitz schlägt, seit sie der Mutter Gottes auf ihrer Flucht nach Egypten Schutz gegen Gewitter verlieh.

  Daran werden gebunden: die Blütenkätzchen der Palmweide, die altheilige Mistel und der Sayling (juniperus sabina), dessen Geruch alle Hexen vertreibt; doch muß der Haselstiel wohl geschält sein, denn Hexenspuk vermag sogar zwischen Holz und Rinde zu nisten. Für jedes Gemach des Hauses wird ein Palmbusch geweiht und das Jahr über wohl verwahrt; zieht ein Gewitter herauf, so verbrennt man einen Teil davon am frisch entzündeten Herdfeuer, dann nehmen die Blitze ihren Weg an dem Hause vorbei.

  Wegen ihrer seidenartigen Haare, in welche sie eingehüllt sind, nennt man die Blütenknospen von Weiden, Erlen usw. „Katzeln“ oder „Palmkatzeln“.

  Die Palmkatzeln werden zur Verhütung alles Unheils in der Wohnstube, im Stalle und auf den Schüttboden zwischen die Balken oder als Blitzleiter unter die Dächer gelegt. Drei „Katzeln“ werden häufig verschluckt, um das Jahr hindurch vor dem Fieber, Zahn- oder Halsweh verschont zu bleiben.

  Nebst den wilden Palmzweigen läßt am Palmsonntage jedes Haus auch noch zwei bis drei hartgesottene, in der Mitte durchgeschnittene oder an der Spitze bloß aufgebrochene rote Eier (Sodlasoa), Salz und ein Stück Flecken (Kuchen) in der Kirche weihen. Man bringt diese Dinge in einem mit einer weißen Serviette umhüllten Teller zur Weihe, und öffnet während dieser die Serviette. Zu Hause verschlingt jedes Glied der Familie, ohne sie zu beißen, mehrere dieser Palmkätzchen. Dann werden die geweihten Eier zerstückelt und verteilt; die Empfänger aber wechseln wieder untereinander die Stücke, welche gegessen werden, um sich vor Verirrungen zu bewahren. Als Würze dient das geweihte Salz, als geweihter Nachbiß das Stückchen Flecken.

  Im Walde ist aber an diesem Tage noch eine andere Sitte gebräuchlich, welche ihrem Hauptgedanken nach gewiß recht schön und sinnig ist.

  Von den Ministranten der Pfarrkirche werden nämlich eine Menge von kleinen, zierlichen „Palmbüscheln“ aus Palmkatzeln, Mistel und Sayling zusammengebunden, mit buntseidenen Mäschchen umschlungen und auf weißgeschälte, ungefähr zwei Fuß lange Weiden oder Haselnußgertchen gesteckt. Für vornehmere Personen werden die Gertchen auch mit schmalen, seidenen Bändern umwickelt. Nachdem diese Palmzweige die Weihe erhalten, werden sie von den Ministranten in kirchlichem Gewande von Haus zu Haus gebracht. Einer der Knaben trägt dabei ein hölzernes Christusbild, welches mit einem roten Mantel, einer Blumenkrone und einer Palme in der Hand geziert ist; ein zweiter trägt den Vorrat von Palmzweigen und hält, die Auferstehung vorstellend, einen eigens gezierten Palmstrauch in der Hand; ein dritter hat einen mit bunten Mäschchen geschmückten Strohzeger am Arme zur Aufnahme der Eier und der Flachsreifen, welche die Sänger allenthalben von den Bauern erhalten; ein vierter schließlich trägt die versiegelte Geldbüchse zur Aufbewahrung der baren Einläufe und erhält deshalb den Namen „Judas“.

  Diese vier Knaben, man nennt sie gemeinhin „Pueribuben“, wandern, wie gesagt, von Haus zu Haus, stellen das Christusbild auf den Tisch, teilen Palmgerten aus und singen dabei das sogenannte „Puerilied“. An mehreren Orten des Bayerwaldes haben die Ministranten einen aus Holz geschnitzten, auf vier Rädern stehenden, ziemlich großen Esel, worauf sich der göttliche, festlich geschmückte Reiter befindet. Während der Palmweihe steht dieser Reiter in der Nähe des Hochaltares, nach derselben wird er von Haus zu Haus gerädelt oder getragen und findet, wie oben erwähnt, die Verteilung der Palmgerten und der Puerigesang statt. Dieser ist folgender:

Jesus in das Haus reitet ein
Demütig auf einem Eselein.
Schämet euch, ihr stolzen Weltkinder!
Ihr richtet alles auf den Schein,
Geprangt, gespitzt muß alles sein, –
Das g’fällt Gott nicht, o Sünder!
Im Stall gebor’n zu Bethlehem,
Hernach kam er nach Jerusalem,
Auf einem Eselein er reitet:
Der mehrer als die Welt ist wert,
Prangt nicht auf einem stolzen Pferd,
Die Demut das andeutet.
Von Jüngern wird er eingeführt;
Die Jugend ruft und jubiliert,
Ihn festlich zu empfangen.
Die Jünger gingen nebenher,
Voll Demut aber blieb der Herr,
That nicht mit Hoffart prangen.
Singet, es sei gebenedeit
Des Davids Sohn, welcher da reit’t!
Auch bereitet euch auf Schmerzen:
Fünf Tage werden sein dahin,
Da wird man rufen: „Kreuzigt ihn!“
O Sünder, uns zu Herzen.

  Ein Troß von Kindern folgt diesen Sängern gewöhnlich von Haus zu Haus, um zum so und so vielten Male wieder den „Puerigesang“ zu hören. Am Palmsonntage selbst wird in der Regel nur im Pfarrorte der Herrgott, auf einem Esel reitend, herumgefahren; die folgenden Tage wandern die Ministranten mit einem einfachen, hölzernen Christusbilde über Land nach allen Dörfern, Einöden und Höfen, wo sie des weiten Weges halber oft über Nacht ausbleiben. Von diesen Exkursionen kommen sie dann mit heiseren Kehlen, aber mit Eiern, Flachs und Geld belohnt nach Hause, was schließlich redlich unter ihnen verteilt wird. –

  Man sieht es überall gern, wenn unser Herrgott einkehrt, und nicht selten kommt es vor, daß zur Erzielung des Haussegens fromme Bäuerinnen das hölzerne Bild in die Schlafkammer tragen und ihr eheliches Bett damit einsegnen, indem sie es auf einige Augenblicke darüber halten oder wohl auch hineinlegen.

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