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Maximilian Schmidt
 
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Das Englmari-Suchen

Maximilian Schmidt beschreibt diesen Brauch im zweiten Teil seiner Autobiographie und im Buch Der Bettler von Englmar. Auch heute findet das Englmari-Suchen noch jährlich in Sankt Englmar statt. Allerdings nicht mehr an Fronleichnam, wie zu Schmidts Zeiten, sondern am Ostermontag. Mehr dazu auf den Seiten von Sankt Englmar.

 
Aus der Autobiographie:
  "Im Frühjahr 1894 wurde ich von Benzinger in Einsiedeln eingeladen, für die „Alte und neue Welt“ eine kleine Novelle zu liefern und ich bestimmte hiezu den „Bettler von Englmar“. Ich reiste zum Fronleichnamsfeste nochmals nach Englmar, um aufmerksam dem uralten Spiele zu folgen. Der selige Englmar war ein Einsiedler, der von den Leuten des Grafen von Bogen erschlagen wurde, weil sie ihm wöchentlich Nahrungsmittel in die Wildnis bringen mußten, was ihnen, wie es scheint, unangenehm geworden.

  Auf einer Jagd, welche der mächtige Graf hier in der Gegend abhielt, stöberte nun ein Jagdhund die in einem Gebüsche versteckte Leiche auf, welche der Graf dann auf einem mit Ochsen bespannten Wagen in feierlichem Zuge nach der Einsiedelei zurückbringen und dort in der Kapelle begraben ließ. Der erste Vorsteher des nahen Klosters Windberg, Rudbertus (1125-1140), ließ jedoch die Ueberreste des seligen Englmar in das jetzige Dorf Englmar übertragen und über ihnen eine Kirche erbauen. Von da ab ward Englmar bis auf den heutigen Tag von zahlreichen Wallfahrern besucht.

  Das „Englmari-Suchen“, welches mit der Fronleichnamsprozession verbunden worden, hat sich zu einem kleinen Volksfeste ausgewachsen. Von der ganzen Umgegend kommen die Leute zu diesem Schauspiele herzu. Die Holzstatue des Seligen wird im Gebüsche versteckt. Die Prozession nimmt ihren Weg über die Felder und hinter der Geistlichkeit reitet der Graf von Bogen mit Rittern und Knappen, dabei ein Jagdknecht mit den Hunden, die er an der Leine führt. Plötzlich hält der Zug an, der „Engel voraus“ erhebt den Stab, zum Zeichen, daß im nahen Gebüsche etwas verborgen sei. Der Jagdknecht wird von dem Grafen mit den Hunden dorthin geschickt, um alsbald die Nachricht zu bringen, daß der Eremit dort erschlagen liege.

  Der Graf steigt nun mit seinem Gefolge vom Pferde und begiebt sich zu Fuß nach dem Fundorte. Dort knieen sie vor dem Leichnam nieder, ihm ihre Verehrung bezeugend. Auf einen Befehl des Grafen wird dann die Statue zu dem hinter der Prozession bereitstehenden Ochsenfuhrwerk gebracht, um in feierlichem Zuge nach der Kirche in Englmar zurückzukehren. Dieser Prozession reiten Hunderte von Reitern voraus, lauter prächtige Bauerngestalten auf festlich geschmückten, meist selbst gezüchteten Pferden."

 
Aus dem Buch Der Bettler von Englmar:
  "Neben der herrlichen Aussicht in die wundervolle Landschaft ward das Interesse der Wallfahrer aber auch noch in anderer Weise in Anspruch genommen. Von allen Seiten sah man neben massenhaft zuströmendem Volke kleine Reitergruppen dem Bergdörfchen zueilen. Es sah sich von weitem an, wie es zur Zeit des Löwlerbundes mochte ausgesehen haben, als von den verschiedenen Burgen auf Befehl des mächtigen Degenbergers die Dienstmannen sich sammelten, um sich gegen den aus Straubing heranrückenden herzoglichen Vizedom zu verteidigen. Doch erblickte man keine Ritter und Kämpen mit Blechhauben und Panzer auf den Rossen, sondern flotte Bauernburschen, mit Bändern und Blumen die Hüte geschmückt, auf schön gezierten Pferden. Es galt heute keinem Kampfe, sondern dem friedlichen Werke der Ehrung des seligen Vaters Englmar, der Teilnahme an dem sogenannten Englmari-Suchen.

  Der selige Englmar, welcher zu Ende des elften Jahrhunderts als Einsiedler hier in der Wildnis lebte, ward von einem Dienstmann des Grafen von Bogen erschlagen. Der Leichnam wurde gelegentlich einer Jagd aufgefunden und in feierlicher Weise auf einem mit Ochsen bespannten Wagen fortgeschafft. Auf der Stelle, wo die jetzige Pfarrkirche steht, hielt das Gespann plötzlich an, und dies galt dem Grafen als ein Zeichen, daß hier der Leib des Märtyrers zur Ruhe gebracht werden sollte, was auch geschah. Eine Kirche wurde gebaut und um dieselbe entstand das Dorf Englmar. Die Bewohner des letzteren samt den Angehörigen der ziemlich weit ausgedehnten Pfarrei geben nun seit uralter Zeit ihrer Verehrung für den Heiligen dadurch besonderen Ausdruck, daß sie in einer dramatischen Darstellung die Auffindung seines Leichnams dem Volke vorführen.

  So erscheinen in der Tracht des elften Jahrhunderts, allerdings mit sehr modernen Zutaten, der Graf von Bogen mit einem Prinzen und mehreren Knappen, dem Burggeistlichen und dem Junggrafen, sämtlich zu Pferd, der Prälat von Windberg mit Begleitung, ein Jäger mit dem Hunde, zwei Knechte, die den mit zwei schönen Ochsen bespannten, grün angestrichenen Englmari-Wagen lenken, und noch andere Mitspielende. Allen voraus schreitet ein Engel mit goldglitzerndem Stab. Die berittenen Männer und Jünglinge der Pfarrei auf ihren prächtigen, best geschmückten Pferden eröffneten paarweise den Zug.

  Die übliche Fronleichnamsprozession schließt sich unmittelbar den Genannten an. Am Fuße des Hügels angekommen, wo die aus Holz geschnitzte Figur des heiligen Englmar unter einem Felsen im Gebüsch verborgen liegt, verläßt der Engel den Zug und besteigt den Felsen, mit hocherhobenem Arme anzeigend, daß hier der Märtyrer gefunden werde. Sofort eilt der Jäger mit dem Hunde zu der bezeichneten Stelle, hebt die Tannenästlein hinweg und findet den Gesuchten. Er eilt zurück und meldet es dem Grafen, der sofort vom Pferde steigt und sich mit seiner Begleitung zum Fundorte begibt, sich auf die Knie wirft und dann Auftrag gibt, daß der Leichnam zu dem Wagen getragen werde. Nachdem dies in feierlicher Weise geschehen, steigt der Graf wieder zu Pferd und die Prozession nimmt ihren Fortgang. Die Statue des heiligen Englmar wird mitgefahren, an der Pfarrkirche angelangt, in diese unter feierlichen Zeremoniell der sie begleitenden handelnden Personen getragen und auf eine hiezu bereit gehaltene Estrade gelegt.

  Die Vorführung dieses mittelalterlichen Spieles lockt jährlich mehrere Tausend Fremde aus nah und fern heran, die damit zugleich eine der herrlichsten Touren im bayerischen Waldgebirge verbinden.

  Die Glocken der Pfarrkirche läuteten soeben zum Hochamte, das der Prozession vorangeht. [...] Nach dem Gottesdienste fand sodann die Fronleichnamsprozession in Verbindung mit dem Englmari-Suchen statt."

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