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Maximilian Schmidt
 
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Flachsanbau und Madrastücher

(aus dem Buch Der Mautner-Flank)

  Es war die Zeit der Flachsernte, des Lieblingsproduktes der Neuweltler wie überhaupt des ganzen Passauerwaldes.

  Wie überall, wo nur ein spärlicher Grundbesitz unter eine große Anzahl von Einwohnern verteilt ist, sind dieselben gezwungen, irgend einen Nebenverdienst durch gewerbliche Thätigkeit zu suchen. Hier treiben die Bewohner der Gegend neben der Holzindustrie vorzugsweise die Leinenweberei, die von jeher als ein freigegebenes Gewerbe gegolten, und so bildete auch im Passauerwald und namentlich in der Neuen Welt die Verarbeitung des Flachses die Hauptbeschäftigung im Winter.

  Der lockere, etwas feuchte Boden und die kühle Bergluft begünstigen das Gedeihen dieses Handelsgewächses und die vielen Flachsfelder verleihen der Gegend, zumal in der Zeit, da die Pflanze ihre schönen, blauen Blüten entfaltet, einen besonderen Reiz. Eine gute Flachsernte, und der Waldbewohner ist für alle seine Bedürfnisse gedeckt. Nur sehr wenig Flachs wird in rohem Zustande verkauft, der meiste wird im Lande selbst versponnen und als Garn oder Leinwand auf die Märkte gebracht, wofür ein schönes Stück Geld in die Säckel der Bauern wandert.

  Man rechnete zur Zeit dieser Erzählung im ganzen Walde etwa 3000 Weber ohne jene, die nur eigenen Bedarf verarbeiteten, wobei etwa 45000 Zentner selbstgebauter Flachs zu Hausleinwand, Kölnischzeug, Gradl, Barchent u. s. w. verarbeitet wurden.

  In den langen Winterabenden, die der Bauer des Flachlandes auf der Bärenhaut verschläft, sitzt im Wald alles geschäftig am Rocken. Die Stuben, von flackerndem Spanlicht erhellt, wiederhallen von dem Schnurren der Räder und Spindeln. Die Hausfrau, das Großmütterchen, die Töchter, die Mägde, alles, was vom Weibe Hände und Füße regen kann, spinnt bis tief in die Nacht hinein. Selbst der Hausherr mit den Knechten schließt sich von dieser Beschäftigung nicht aus. Die Hausfrau setzt eine Ehre darein, ihre Schränke mit weißem Linnen vollgefüllt zu haben, und wenn sie ihre Töchter verheiratet, sind Flachs, Garn, Leinwand und Weißzeug sicher die wertvollsten Stücke der Ausstattung, und ist die Leinwand dieser Gegend unter dem Namen „Waldler-Leinwand“ oder „Passauer-Linnen“ als solides Fabrikat weit und breit bekannt.

  Der Handel dieser Ware ist in den Händen von Verlegern, welche den Kleingütlern und Inleuten auch das Garn zur Verarbeitung auf dem Webstuhle liefern. Aber nicht nur Leinenwaren, sondern auch halbe und ganze Seidenwaren werden im Passauer Walde, namentlich in Wegscheid, gewebt. Einen besonderen Handelsartikel bilden die sogenannten „Madrastücher“, die von den Frauen als Kopftücher getragen werden.

  In Schönberg, Perlesreuth und Waldkirchen finden in der Fastenzeit die Hauptgarnmärkte statt, wozu die Landleute mit ihren Bündeln am Rücken oder mit Öchslein oder Hunden bespannten Fuhrwerken herankommen, um an die Weber, die sich oft zu Hunderten einfinden, ihre Ware zu verhandeln. Die Hauptplätze für fertige Leinwand sind Wegscheid und Jandelsbrunn. Diese ganze Gegend scheint überhaupt nur eine einzige, große Leinwandfabrik zu sein. Allgemeinem Gebrauch zufolge säet sogar jeder Feldbesitzer seinen Dienstboten jährlich als einen Teil ihres Lohnes ein bis zwei Viertel Lein aus, und zu Lichtmeß, der gewöhnlichen Zeit des Dienstwechsels, wird denselben einige freie Zeit gegeben, um ihren Flachs (Haar) bearbeiten zu können.

  Durch diese Leinwandbereitung gewinnt der Wald jährlich an drei Millionen Gulden, die Preise für ein Stück flächsernes Leinwand zu zehn Gulden, diejenige von Werg zu sechs Gulden berechnet.

  Die Madrastücher, der Kopfputz der Wäldlerinnen, schwarze, an den Enden mit bunten, seidenen Blumen verzierte Tücher, werden auf den sogenannten Jacquardstühlen gewebt und finden, wie die Seidenkopftücher, bei dem massenhaften Verbrauche im Kreise Niederbayern selbst nicht nur hier lebhaften Absatz, sondern haben trotz des Eingangszolles ihren Weg auch nach Östreich gefunden.

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