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Werke von Maximilian Schmidt

 

Maximilian Schmidt
 
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Der Schatz am Gossenstein

(aus dem Buch Der Bettler von Englmar)

  Zunächst oben auf der Kante des nahen Distelberges liegt von vielhundertjährigen Bäumen umgeben und in dichtem Gestrüpp versteckt eine große flache Felsenspalte. Gestrüpp und Bäume lassen den Blick dessen, der die Platte erklommen hat, kaum zwölf Schritte weit dringen. Das aber ist nicht immer so, denn wenn man sich dort einfindet, während der Pfarrer von Viechtach bei der Fronleichnamsprozession das erste Evangelium singt, da sieht man mit einem Male auf den Marktplatz und in die Gassen von Viechtach hinunter, das doch über eine Stunde von Gossenstein entfernt ist und so tief liegt, daß man es gar nicht sehen kann, wenn alles mit rechten Dingen zugeht.

  Wer dann den Mut hat, dem ist in dieser Stunde die Macht gegeben, den bösen Feind zu rufen und ihn zu zwingen, daß er ihm einen Platz zeige, wo ein Schatz vergraben liegt von Gold- und Silberstücken aus alter Zeit. Aber Mut allein reicht nicht aus. Der, welcher auf diese Weise mit des Teufels Hilfe den Schatz heben will, darf an diesem Tage noch von keiner Christenseele angesprochen worden sein oder eine solche angesprochen haben. Das hat in alten Tagen eine unfromme Bäurin, die auf dem Sedlhofe saß, wiederholt erfahren müssen, denn so oft sie sich am Prangtag (Fronleichnamstag) nach dem Gossenstein auf den Weg gemacht, da ist ihr immer bald ein Kind, bald ein alter Bettler mitten im unwegsamen Wald begegnet und hat ihr den Gruß geboten: „Gelobt sei Jesus Christus!“ und mit dem Schatzheben war’s für dieses Jahr vorbei. Wer ihr aber den Gruß geboten, das soll ihr Schutzengel gewesen sein, der ihre Seele vor dem Verderben bewahrt. (Frei nach C.A. Regnets im Morgenblatte der Bayerischen Zeitung 1863 mitgeteilten Volkssagen aus dem Bayerischen Walde.)

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