Brief vom 15.03.1999
Hallo Wolfgang!
Vielen Dank für Deinen eBrief!
Nun, ich habe mir Gedanken gemacht, wie es weitergehen soll. Weisst Du, für mich ist es eine viel umfassendere Frage, als es vielleicht aus unserem Briefwechsel hervorgeht.
Dieses Wochenende habe ich an Meditationstagen in Passau teilgenommen. Den Seminarleiter kenne ich schon seit etwa 14 Jahren, und ich bringe ihm sehr viel Vertrauen entgegen. Mit ihm habe ich mich nun unterhalten und ausgetauscht, wie er mit der Bibel umgeht, welche Sichtweise er davon hat. Dazu sagen sollte ich vielleicht auch noch: Er ist katholischer Priester und Direktor des diözesanweiten Seminarhauses.
Er hat mich wohl auf den Weg gebracht, wie ich meinen Weg weiterhin gehen und gestalten soll. Nicht durch eine Beratung oder eine Vorgabe. Er stellte einfach nur zwei Fragen: Was erwarte ich von Gott? Welches Verhältnis habe ich zu Gott, wie sehe ich ihn?
Zur Bibel meinte er, dass für ihn nicht alles, was darin steht, Offenbarung ist.
Diese drei Sätze reichen mir. Ich sehe meinen Weg nun viel klarer und deutlicher. Eines habe ich an diesem Wochenende auch (wieder) gelernt. Es gibt zwei Seiten, einfach nur das Verhältnis zu Gott, die Beziehung zu ihm (was natürlich das wichtigste ist). Die zweite Seite, die nicht so wichtig ist, ist die Auseinandersetzung mit den biblischen und ausserbiblischen Schriften. Der zweite Teil ist nicht so wichtig, denn er blockiert meist eher das Verhältnis zu Gott.
Ich werde meinen Weg also neu ausrichten.
Dies bedeutet erst einmal, dass ich mich von Campus für Christus zu trennen habe und etwas suchen muss, dass meinen Bedürfnissen entspricht. Eigentlich hätte ich das schon vor einem Jahr wissen müssen, als ich zum ersten Mal zum Ferienbibelkreis kam.
Du darfst mich jetzt nicht falsch verstehen. Es richtet sich nicht gegen die Personen an sich, die im CfC sind. Ich mag Sarah und Bianca sehr gern und auch im weiteren Sinne wüsste ich niemanden, gegen den ich etwas hätte. Es geht nicht um die persönliche Ebene.
Einzig die inhaltliche Ebene ist es, die ich wechseln muss.
Gerade die in freikirchlichen Kreisen wohl sehr grosse Zentrierung auf die Bibel (und auch auf Jesus) ist etwas, wo ich nicht folgen kann. Ich finde es gut und schön, wenn Du und jeder andere darin die Erfüllung sieht und dies als den Lebensweg sieht. Es ist immer gut, wenn jemand den Weg als Christ geht, ganz egal, wie er aussieht.
Aber: Es ist eben nicht mein Weg. Wenn ich bleiben würde, müsste ich mich ändern ("missionieren" lassen, was eigentlich unsinnig ist, da ein Christ den anderen nicht zu bekehren braucht). Da ich mich nicht ändern kann (denn ich weiss, dass mich Gott so geschaffen hat und mich so will, wie ich vom Wesen her bin; was nicht heissen soll, dass ich nicht zu ändernde Fehler habe; ich meine das Wesentliche in mir) und dennoch bleiben würde, wäre ich eine Blockade für Euch (speziell nun Sarah und Bianca und evtl. auch Martina), und andererseits wärt Ihr eine Blockade für mich.
Ich hoffe, Du verstehst, wie ich es meine und was ich damit aussagen will. Es geht mir um den Inhalt.
Du hast mir dabei geholfen, dies klarer zu sehen und zu erkennen, wie es bei mir weiterzugehen hat. Dafür danke ich Dir!
Auf den letzten eBrief werde ich nicht näher eingehen. Du hast es sicher genauso erkannt wie ich, dass wir zu keiner Lösung kommen werden. Die Grundvoraussetzungen sind einfach zu verschieden. Doch es ist, denke ich, auch nicht wirklich wichtig. (Was jetzt nicht heissen soll, dass ich Dir einfach das Wort abschneide und keine Gelegenheit mehr zur Erwiderung lassen will. Für mich bedeutet dies halt nun das Ende eines Abschnitts.)
Mit Bianca oder Sarah werde ich mich demnächst noch genauer unterhalten, denn bisher habe ich nur Zeit gehabt, an Bianca kurz einen eBrief mit meinem Entschluss zu schicken. Vielleicht sehen wir uns ja so auf dem Uni- und FH-Gelände noch öfters.
Ich wünsche Dir alles Gute auf Deinem weiteren Lebensweg. Möge Gott Dich behüten und Du geborgen sein in ihm.
Christian
Meine Antworten auf die Fragen will ich Dir nicht vorenthalten.
Was erwarte ich mir von Gott?
Ich brauche ihn, dass ich nicht alleine bin, dass ich Vertrauen haben kann, und dass ich geborgen bin.
Wie sehe ich Gott? Wer ist Gott für mich?
Gott ist für mich ein liebender Gott. Einfach nur der liebende Gott!
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