Brief vom 18.05.1999
Hallo Wolfgang!
Ich war zuerst im Zweifel, ob eine Antwort von Dir erfolgen wuerde,
aber das hat sich mit dieser Nachricht ja erledigt. Das lasse ich
jetzt im uebrigen unbegruendet, es war ein Gefuehl "aus dem Bauch
heraus".
"Ein Messer wetzt das andre und ein Mann den andern". (Spr 27, 17)
Von welchem Kalenderblatt hast Du DAS denn? :)
vielen Dank fuer Deine Antwort! Sie war ganz interessant und ich
koennte auch noch einiges anmerken, aber ich glaube, das lohnt sich
nicht, da wir eh' ziemlich der gleichen Meinung sind. Wo scheinbar
Widersprueche auftreten, reden wir ein bisschen aneinander vorbei
(jeder meint was anderes).
Aber jeweils recht dezidiert, wie ich meine.
Insgesamt ist mir aufgefallen, dass Deine Argumentation besser
aufgebaut ist als Christian's und das du diesen Text ueber die
Herkunft des Boesen besser durchdacht hast als man ihm ansieht :-).
Danke fuer die Blumen, obwohl mir Deine Worte zeigen, dass Du wohl ein
bisschen schnell geschossen hast ;) Aber Christian muss ich dennoch
verteidigen, weil ich der UEberzeugung bin, dass seine Argumente zum
einen gewiss nicht schlechter sind als die meinen (groesstenteils hat er
sich sogar intensiver mit einzelnen Themen beschaeftigt!), zum anderen
- nimms nicht persoenlich - wir uns nicht auseinanderdividieren
lassen.
Aber trotzdem noch ein paar Fragen:
Gerne.
Was meinst Du damit, Bibeltexte auch "wissenschaftlich" zu sehen
gelernt zu haben?
Welche Folgerungen ziehst Du aus Deiner Festellung, dass Paulus
"eben nur ganz Mensch, mit allen Fehlern und Makeln" war?
Versuch bitte nicht, rein aus der Fragestellung schon etwas ueber
meine Meinung herauszulesen... :) - mich interessieren Deine
Antworten.
Lassen wir also Deine Meinung beiseite. Was Wissenschaftlichkeit
bedeutet, muss ich Dir als Studenten wohl nicht erklaeren, das waere
vermessen. Auch dass Theologie eine Wissenschaft darstellt, brauche
ich hoffentlich nicht zu rechtfertigen. Die Bibel (und die
Theologie) als Objekt dieser Begierde muss sich folglich ein paar
Fragen gefallen lassen, die durchaus unangenehm fuer den Einzelnen
sein moegen, aber in ihrer Notwendigkeit berechtigt sind, angefangen
bei der Frage, wie so ein Text ueberhaupt zustande kommt, wieviel
menschliche Entscheidungsarbeit bereits geschehen ist, wenn der
"Verbraucher" das "Produkt" in Haenden haelt. Das nur als kurzer Anriss.
Zu Paulus: Ich halte ihn weder fuer unfehlbar noch fuer stellenweise
sympathisch. Einer der Gruende, weswegen er in den Kanon aufgenommen
wurde, ist wohl seine zeitliche Naehe zu Jesus, obwohl er ihn
persoenlich nicht kannte. Wusstest Du uebrigens, dass ein Grossteils der
paulinischen Literatur mit Sicherheit nicht aus seiner Feder stammt?
Auch das ist wissenschaftliche Sicht der Schrift.
Zu Glaube/Verstand auch noch eine Anmerkung: Bei dem Ausspruch des
Papstes werden sie gleichwertig eingestuft. Das halte ich fuer falsch,
ich wuerde das zu 51/49 % in Richtung Glaube verschieben (manchmal
braucht man auch 100% Glaube, weil der Verstand sich gar nichts mehr
vorstellen kann :). Der Verstand hat seine Tuecken (selbst schon
erlebt), deswegen auch die Ermahnung in den Spruechen "Verlass dich auf
den HERRN von ganzem Herzen, und verlass dich nicht auf deinen
Verstand" (Kap. 3,5). Deswegen ist der Verstand trotzdem nuetzlich
und ihn ganz auszuschalten waere genauso Schrott wie sich nur noch auf
ihn zu verlassen. Das ist m.E. Christians Problem: Er hat
(hoffentlich: noch) nicht erkannt, wo die Grenzen des Verstandes
liegen.
Kurz (meine Meinung/Haltung): Der Verstand muss sich dem
Glauben unterordnen.
Nein. Ein Vogel kann nur mit ZWEI gesunden Fluegeln fliegen. Und die
Irrungen und Wirrungen, die herauskommen, wenn ein Teil zu dominant
wird, kann man in der Kirchen- und Profangeschichte auf Schritt und
Tritt verfolgen!
Auch Christian weiss das und wuerde seinen Verstand nicht ueber die
Kraft seines gelebten und empfundenen Glaubens stellen, das kann ich
Dir versichern.
So, das wars schon wieder. Naechsten Mi (19.05) haben wir von Campus
Semestereroeffnungsparty im Amberger Stadl (Studentenwohnheim an der
Steinernen Bruecke) - Du bist selbstverstaendlich auch herzlich
eingeladen. Zeit: ab 21 Uhr.
Danke fuer die Einladung; aber da ich "Fahrschueler" und damit auf die
Bahn angewiesen bin, ist diese Zeit recht unguenstig fuer mich.
Eine gute Woche und die besten Wuensche
Michl
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